Künstliche Intelligenz trifft menschliche Intelligenz – 10. Jahrgang New Media Journalism

Künstliche Intelligenz trifft menschliche Intelligenz – 10. Jahrgang New Media Journalism

Das einzig Beständige im Journalismus scheint der Wandel – ausgelöst durch technische Innovationen. Seit Jahrhunderten hat sich das Arbeitsfeld der Journalisten verändert, vom Buchdruck mit beweglichen Lettern bis zum so genannten Roboterjournalismus. Die TeilnehmerInnen des internationalen Masterstudiengangs New Media Journalism stellen sich dieser Herausforderung. Sie wollen den digitalen Wandel gestalten, statt nur erleben.

Journalismus und Technik sind untrennbar

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Herzlich willkommen den 10 Studierenden des 10. Jahrgangs New Media Journalism.

Bei der Immatrikulationsfeier in der Leipzig School of Media durfte ich die Studierenden diese Woche als Studiengangsverantwortlicher begrüßen und sie mit auf eine kleine Zeitreise nehmen:

„Die Arbeitsfelder des Journalisten haben sich erweitert, der Bedarf an Journalisten ist groß.“ Dieser Satz stammt aus dem Buch „Einführung in den praktischen Journalismus“ von Walther von LaRoche, datiert auf den April 1995. Und der Satz stimmt immer noch. Auch wenn sich seit 1995 – das sind gerade einmal gut 20 Jahre – fast alles verändert hat. So heißt es bei LaRoche weiter: „Immer mehr Journalisten schreiben und redigieren an Bildschirmen.“ – Wo sonst, werden sich jetzt manche unter Ihnen, vor allem die Digital Natives, fragen. Doch warten Sie, es kommt noch besser: „Aber das Endprodukt ist trotz der zwischengeschalteten Elektronik meist etwas Gedrucktes: eine Zeitung oder Zeitschrift.“ 

Was Ihnen vielleicht wie aus einer prähistorischen Zeit vorkommen mag, war die Lektüre meines ersten Semesters im damaligen Diplom-Studiengang Journalistik anno 1999. Wir haben damals auch schon E-Mails geschrieben, doch Online-Journalismus, crossmedialer, multimedialer Journalismus war damals soweit entfernt wie ein Handschlag zwischen dem südkoreanischen Präsidenten und nordkoreanischen Machthaber. Die Zeiten wandeln sich eben. 

Im Journalismus ist der Wandel seit jeher von Technik geprägt. Buchdruck, bewegliche Letter und die seit Jahren anhaltende digitale Revolution, wie sie gerne bezeichnet wird. Ein großes Wort, gerade in dieser Stadt der friedlichen Revolution von 1989, die die Mauer zum Einsturz brachte und Ausgangspunkt für ein wiedervereinigtes Deutschland war. 

Gatekeeper und Internet-Öffentlichkeit

Ob es eine Revolution oder eher Evolution war, bleibt zu diskutieren. Fakt ist: Das Mediensystem ist durch Digitalisierung im Umbruch – neue journalistische und semijournalistische Angebote sind entstanden, die Arbeitsweisen von Journalisten haben sich verändert und das Konsumverhalten der Rezipienten ist selektiver. Das Internet, seine Mechanismen und Werkzeuge prägen den Journalismus und die anhaltende Transformation des von LaRoche beschriebenen Berufsstandes. Gatekeeper, die Nachrichten selektieren und präsentieren, sind wir schon lange nicht mehr. Die Internet-Öffentlichkeit funktioniert anders als die Öffentlichkeit traditioneller Medien. 

Und jetzt auch noch Roboterjournalismus! Ich könnte jetzt einstimmen in die Larmoyanz mancher Editorials und Essays, die die guten alten Zeiten beschwören. Aber das liegt mir fern und wäre auch nur die halbe Wahrheit. 

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Dr. Tobias D. Höhn und Roboterjournalismus-Vorreiter Saim Rolf Alkan diskutieren über Für und Wider der neuen Möglichkeiten.

Vielmehr darf ich Ihnen aus voller Überzeugung sagen: Sie haben sich richtig entschieden. Denn New Media Journalism liefert ihnen „essentielle Antworten auf brennende Fragen“ (wie es jüngst eine Absolventin beschrieb) und gibt Ihnen das nötige Know-How für die aktive Gestaltung des Medienwandels mit. Eine wichtige Grundlage für das „To Do“ ist aber auch die Basis, die sie ebenso in diesem Studium finden wie etwa die Recherche jenseits von Bits und Bytes, wissenschaftliches Erkennen der Zusammenhänge oder Medienethik und die Verantwortung des Journalisten.

An der Schnittstelle von Content und Technologie annihilieren wir nicht die künstliche Intelligenz, bauen aber auch ganz klassisch auf die menschliche Intelligenz. In diesem Sinne ermuntere ich Sie, Bestehendes zu hinterfragen, den Mut zu haben sich auszuprobieren und neue Entwicklungen als Chance zu sehen und nicht als disruptives Übel. Denn eines wollen Sie genauso wenig wie Ihre Zuschauer, Nutzer, Hörer oder Leser: Langeweile!“

Künstliche Intelligenz gewinnt Journalistenpreis

Keynote-Speaker Saim Rolf Alkan, Vorreiter im Bereich automatisierte Texterstellung, hatte zuvor aufgezeigt, wie künstliche Intelligenz Journalisten bei ihrer Arbeit unterstützen kann. Schon heute sei die von ihm entwickelte Software in der Lage, aus Daten automatisiert Wetterberichte oder Texte über die Ziehung der Lottozahlen zu erstellen. Die Stuttgarter Zeitung nutze das Tool für die Berichterstattung über Feinstaubwerte – und gewann damit sogar den renommierten Konrad-Adenauer-Journalistenpreis. Dennoch bekräftigte auch Alkan: „Technik und Algorithmen werden wichtiger, doch im Zentrum steht immer noch der Journalist, der eine Geschichte erzählen kann und der seinem Publikum den Weg zu neuen Gedanken eröffnet.“