Die Wurst ist mir nicht wurst – Für eine bessere Ernährungskommunikation

Die Wurst ist mir nicht wurst – Für eine bessere Ernährungskommunikation

Als wir vor gut vier  Jahren die Idee hatten, uns auf eine Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu bewerben, ahnte wohl kaum jemand, was daraus einmal werden könnte. Aus dem Treffen einiger Motivierter ist heute ein Leuchtturmprojekt des mitteldeutschen Universitätsbundes geworden. Damit „leisten die Forscher einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung, Heilung und Aufklärung von Zivilisationskrankheiten“, sagte die sächsische Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange jüngst bei einem Arbeitsbesuch in Leipzig. Recht hat sie.

In der „Wurstmanufaktur Leipzig“ in der Veterinärmedizinischen Fakultät entstehen herzgesünderen Lebensmittel, u.a. mit reduziertem Fettgehalt. Prof. Dr. Peggy G. Braun (Mitte) stellte die Produkte der sächsischen Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange (rechts) und Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking vor. [Fotos (2): Peter Endig]

Denn gerade in den Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird viel Wurst verzehrt und liegt die Todesrate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besonders hoch im Bundesdurchschnitt. Also warum nicht traditionelle Wurstsorten besser, also herzgesünder, machen? Das ist der Ansatz meiner KollegInnen aus der Veterinärmedizin (die sich entgegen weit verbreiteter Vorurteile nicht nur um die Heilung von Tieren kümmern). Apropos Stereotypen: Es handelt sich hierbei nicht um vegane oder vegetarische Würste, und es muss auch niemand Einbußen in Geschmack, Geruch oder Haltbarkeit in Kauf nehmen. Die in nutriCARD – so heißt das Ernährungscluster – an der Universität Leipzig entwickelten Produkte sind für den Verbraucher nicht von handelsüblichen Produkten zu unterscheiden. Das Forschungsprojekt, zu dem ich einen Teil beitragen darf, gliedert sich ein in die so genannte Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, die sich für weniger Salz, Zucker und Fett in Lebensmitteln stark macht.

Noch nie etwas davon gehört? Also Light-Produkte? Was darf ich überhaupt noch essen, und wem soll ich jetzt glauben? Genau das sind die Fragen, bei denen meine Fachdisziplin ins Spiel kommt. Viele Verbraucher sind hochgradig verunsichert. Die Interventionsprogramme der Fachgesellschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten keine wirkliche Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten gebracht. Stattdessen wächst die Skepsis vor Zusatzstoffen und Heilsversprechen der Industrie. Wenn es um gesundheitsbewusste Ernährung geht, vertrauen die Menschen den Medien etwa genauso sehr wie den Herstellerangaben, um nur ein Ergebnis meiner Studie zu Ernährungs- und Informationsverhalten (bei Familien, Schwangeren und Paaren mit Kinderwunsch) zu erwähnen. Unsere Aufgabe muss es also sein, durch Argumente und wissenschaftlich fundierte Studien Vertrauen zurückzugewinnen, aufzuklären, zu überzeugen – Konsumenten, aber in erster Linie auch Journalisten.  Aber auch: Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen und in einen Dialog auf Augenhöhe zu treten.

Ein weiter Weg, den wir mit nutriCARD angetreten sind. Jetzt liegen die ersten Ergebnisse vor, die uns optimistisch stimmen, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen, Lebensmittel weiter zu optimieren und die Ernährungskommunikation und Verbraucheraufklärung voranzutreiben. Oder, wie es die Rektorin der Universität Leipzig, Prof. Dr. Beate Schücking, formuliert: „Ich wünsche mir im Interesse der engagierten Wissenschaftler, der Universität, aber auch des Universitätsbundes, dass der Kompetenzcluster eine weitere Förderung erreicht.“

Es ist viel geschafft, es bleibt viel zu tun. Neue, spannende Projekte warten auf uns, und wir hoffen auf die Bewilligung der zweiten Förderphase. Die Resonanz der vergangenen Wochen stimmt positiv, wir haben viele Anregungen aus Gesprächen auf verschiedenen Ebenen mitgenommen. So überzeugten sich unter anderem Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange und der Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Feist von der herzgesünderen nutriCARD-Wurst und unseren Ideen der Verbraucherkommunikation. Sein Kommentar: „Hervorragend gelungen: Gesund und lecker.“

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas Feist ist auf den Geschmack der nutriCARD-Wurst gekommen und informiert sich an der Universität Leipzig über Herstellung und Ernährungskommunikation. [Foto: Tobias D. Höhn]